Was ist Neurofeedback und wie funktioniert es neurophysiologisch?

Neurofeedback ist ein therapeutisches Verfahren, bei dem Personen lernen, ihre Gehirnaktivität mithilfe von Rückmeldungen in Echtzeit selbst zu regulieren. Auch als EEG-Biofeedback bekannt, basiert diese Technik auf der Erfassung der elektrischen Hirnaktivität mittels Elektroenzephalografie (EEG). Spezialisierte Software verwandelt diese Daten in audiovisuelle Signale, die für den Patienten verständlich sind.

Neurophysiologische Grundlagen

Um zu verstehen, wie Neurofeedback funktioniert, ist es wichtig, die zugrundeliegenden neurophysiologischen Mechanismen zu kennen. Das menschliche Gehirn erzeugt verschiedene elektrische Wellen, die mit dem EEG gemessen werden. Diese lassen sich nach ihrer Frequenz wie folgt klassifizieren:

  • Delta-Wellen (0,5 – 4 Hz): tiefer, traumloser Schlaf

  • Theta-Wellen (4 – 8 Hz): Tagträumen, Meditation, Kreativität

  • Alpha-Wellen (8 – 12 Hz): entspannter Wachzustand

  • Beta-Wellen (13 – 30 Hz): Aufmerksamkeit, Problemlösen

  • Gamma-Wellen (>30 Hz): kognitive Höchstleistung, Informationsverarbeitung

Eine abnormale Verteilung dieser Frequenzen kann mit verschiedenen klinischen Symptomen einhergehen. Ein Übermaß an Theta bei Erwachsenen wird z. B. mit Aufmerksamkeitsdefiziten assoziiert, während ein Mangel an Alpha häufig bei Angststörungen vorkommt.

Wirkungsmechanismus

Neurofeedback nutzt das Prinzip der operanten Konditionierung: Wenn das Gehirn ein „funktionales“ Aktivitätsmuster zeigt, wird ein positives Feedback (z. B. ein sich bewegendes Bild oder angenehme Musik) gegeben. Bei Abweichung stoppt das Feedback oder wird negativ.

So lernt das Gehirn schrittweise, optimale Muster selbstständig aufrechtzuerhalten. Es handelt sich also um ein Gehirntraining zur Selbstregulation – ohne Medikamente.

Eingangsbefund & individuelles Training

Zu Beginn steht meist eine klinische und neurophysiologische Untersuchung. Oft wird ein quantitatives EEG (qEEG, auch „Brain Mapping“) erstellt, um funktionelle Abweichungen zu erkennen.

Basierend auf dieser Analyse wird ein individueller Trainingsplan entworfen, der gezielt auf bestimmte Frequenzen oder Hirnareale abgestimmt ist – je nach therapeutischem Ziel.

Anwendungsbereiche

Neurofeedback wird erfolgreich bei vielen Störungsbildern eingesetzt, z. B.:

  • ADHS: Erhöhung von Beta (Aufmerksamkeit), Reduktion von Theta (Tagträumen)

  • Angststörungen: Förderung von Alpha oder Reduktion von High-Beta

  • Depressionen: Training der Präfrontalkortex-Selbstregulation

  • Schlafstörungen: Abbau von Hyperarousal, Förderung entspannender Muster

  • Chronischer Schmerz, Migräne: Rebalancing der Hirnfunktion

  • Autismus (ASS): Regulation sozial-kognitiver Netzwerke

Wissenschaftliche Evidenz

Zwar sind weitere groß angelegte Studien wünschenswert, doch gilt Neurofeedback – laut der American Academy of Pediatrics – bereits als evidenzbasierte Therapieoption der Stufe 1 für ADHS. Immer mehr Kliniken und Fachpersonen integrieren es als komplementäres Verfahren.

Fazit

Neurofeedback ist ein leistungsstarkes, auf Neurowissenschaft basierendes Instrument zur Gehirn-Selbstregulation. Mit präziser Diagnostik, individuellen Protokollen und kontinuierlichem Training lassen sich funktionelle Ungleichgewichte im ZNS verbessern. Dank seiner nicht-invasiven und personalisierten Natur ist es eine vielversprechende Option für zahlreiche klinische Indikationen.

 

  Hammond, D. C. (2006). What is neurofeedback: An update. Journal of Neurotherapy, 10(4), 25–36. https://doi.org/10.1300/J184v10n04_04

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