Dr. Laura Maffongelli

Wissenschaftliche Verstärkung für unser IFEN-Team: Dr. Laura Maffongelli PhD

Wissenschaftliche Verstärkung für unser IFEN-Team:

Dr. Laura Maffongelli PhD

Neurowissenschaftlerin an der Gutenberg-Universität Mainz mit Schwerpunkt Sprache und Sprachentwicklung.

Sprache hat mich schon als kleines Kind fasziniert, vor allem war ich davon beeindruckt, wie vielfältig Sprache sein kann. So hat mich die Tatsache begeistert, dass man unterschiedliche Sprachen mit deren unterschiedlichsten Klängen und Strukturen lernen kann. So war es für mich relativ früh klar: Ich will später irgendwas mit Sprachen machen.

Wie verarbeitet das Gehirn Sprache?

Also studierte ich Linguistik. Im Studium wurde ich mit verschiedenen Aspekten der menschlichen Sprache konfrontiert, u.a. mit den Strukturen, Methoden und Funktionen, wie Sprache entsteht und sich verändert. Durch ein Praktikum kam ich zum ersten Mal mit der Neurolinguistik in Berührung. Das ist ein Forschungsfeld der Sprachwissenschaft und Teilbereich der kognitiven Neurowissenschaft, das sich mit der Frage beschäftigt, wie das menschliche Gehirn Sprache verarbeitet. Die dahinterliegenden Vorgänge werden mit neurophysiologischen Methoden untersucht, u. a. mit Hilfe der Elektroenzephalographie (EEG). Hier hatte ich das erste Mal die Möglichkeit, Erfahrung mit der EEG-Technik zu sammeln.

Das EEG erlaubt einem dem Gehirn bei der Arbeit zuzuschauen: Mittels Elektroden, die an der Kopfoberfläche angebracht werden, kann man nicht-invasiv, sprich ohne am Menschen selber aktiv was zu tun, die Aktivität des Gehirns messen. Für die EEG-Messungen werden oftmals sogenannten Ereigniskorrelierte Potenziale (EKPs) gemessen. Das sind Millisekunden schnelle Reaktionen und Veränderungen im Gehirn im Sinne von Potentialschwankungen, die zeitlich korreliert zu einem kognitiven/sensorischen Stimulus auftreten. 

Struktur in Handlung und Sprache  

In meiner Dissertation habe ich mich dem Zusammenhang zwischen Sprache und Handlung gewidmet –  mit Fokus auf Einflüsse bezüglich der Syntax bei der Verarbeitung in Gehirn von Handlung. In unserer sozialen Umwelt begegnen wir häufig Regeln, die definieren, wie man Dinge nennt, über sie berichtet oder auch etwas mit ihnen tut. Solche Regeln und Strukturen gibt es auch auf der sprachlichen Ebene: Zum Beispiel hat jeder Satz eine Struktur, die es einzuhalten gilt, damit er auch verstanden wird.

Aber auch in Handlungsabfolgen finden wir ähnliche Regeln. So müssen wir zuerst den Deckel einer Flasche öffnen, um Saft in ein Glas zu gießen, den wir später trinken wollen. Mein Interesse gilt der Frage, inwiefern die Verarbeitung komplexer Handlungssequenzen Ähnlichkeiten mit der Verarbeitung von komplexen Sätzen aufweist. Dazu habe ich unter anderem Elektroenzephalographie (EEG) mit ereigniskorrelierten Potentialen (EKPs) eingesetzt.  Hierzu habe ich ein experimentelles Design entwickelt, das es mir erlaubt, spezifisch dieser Frage nachzugehen.

Schon Säuglinge reagieren auf veränderte Syntax

In einem meiner Experimente zeige ich Erwachsenen oder Probanden im Kindesalter verschiedene Fotosequenzen von einfachen Handlungen (Maffongelli, Antognini, & Daum, 2018; Maffongelli et al., 2015; Maffongelli, D’Ausilio, Fadiga, & Daum, 2019). Die Hälfte dieser Fotosequenzen zeigen übliche Handlungsschritte für beispielsweise Kaffee kochen in der korrekten Abfolge. In der anderen Hälfte werden zwei wesentliche Handlungsschritte vertauscht, so dass das Ziel der Handlung nicht mehr erreichbar ist. Ob die Probanden zwischen den beiden Bedingungen unterscheiden können, wird über die Gehirnaktivierung während der Beobachtung der Handlungssequenzen ermittelt. Die von mir und meinen Kollegen bis dato erlangte Ergebnisse deuten auf genau diesen Zusammenhang hin: Eine Veränderung in der Struktur einer Handlung, sprich der Handlungssyntax, führt – bereits bei Kindern im Alter von 6 Monaten – zu ähnlichen Reaktionen im EEG wie eine vergleichbare Verletzung der Syntax innerhalb eines gehörten oder gelesenen Satzes.

Sprachentwicklungsverzögerung aufdecken

Mit solchen Befunden können wir als Wissenschaftler Rückschlüsse auf die Sprachentwicklung von Säuglingen ziehen: Das Finden von ähnlicher EKPs als Reaktion auf kontextunabhängige syntaktische Unregelmäßigkeiten könnte langfristig die Diagnose in klinischen und Rehabilitationskontexten erleichtern. Wenn diese Komponenten mit einem allgemeinen syntaktischen Mechanismus zusammenhängen, können sie als Neuromarker sensibel für das Aufdecken eines erhöhten Risikos für spätere Sprachstörungen verwendet werden.

Große Chance für Kinder

Ich sehe eine große Chance, das von mir entwickelten Paradigma in Zukunft als Intervention bei der Diagnostik von Sprachverzögerungen bzw. Spracherwerbstörungen anzuwenden. Darum habe ich mich auch in der letzten Zeit intensiv mit der klinischen Anwendung von EEG und EKPs auseinandergesetzt. Wenn man schon früh in der Entwicklung, in einer nicht-sprachlichen Phase eine erste Einschätzung gewinnen kann, ob die Möglichkeit besteht, später in der Entwicklung mit Sprachentwicklungsverzögerungen konfrontiert zu werden, dann wäre es wünschenswert, dass man mittels einer EKP-Untersuchung rechtzeitig dagegen steuern kann.

Meine Vision für Eltern und Kinder

Viele Eltern machen sich keine Gedanken, wenn ihr Kind im Alter von 2 Jahren noch keine 2-Wort-Sätze (Nelson, 1973, 1981) spricht, oder mit 6/7 Jahren noch nicht lesen können. Meine Vision ist – in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Sprachtherapeuten, Logopäden und Neurofeedbacktherapeuten – ein Sprachförderungsprogramm in Kitas und Schulen zu entwickeln, die uns die Möglichkeit gibt viel früher und viel genauer eine Diagnose zu stellen, um dementsprechend früh genug zu handeln.  Dieses stelle es mir als „ganz normales“ Förderungsprogramm vor, so wie man das beispielsweise von Musikförderungsprogrammen kennt.

Individuelles Training

Ein mögliches Aufgreifen und Fortsetzen meiner Arbeit ist das Neurofeedback Training. Hier könnte man EEG Methoden nutzen um mögliche Verzögerungen in der Sprachentwicklung zu behandeln. Neurofeedback ist eine wissenschaftlich anerkannte Methode (Coben, Linden, & Myers, 2010; Coben & Padolsky, 2007; Enriquez-Geppert, Huster, & Herrmann, 2017; Gruzelier, 2014).  Es wird als computergestütztes Training der Gehirnwellen verstanden, das das Ziel hat, eine verbesserte Gehirnleistung zu erreichen. Das Training wird individuell abgestimmt, indem man ein sogenanntes QEEG (quantitatives EEG) (Collura & Frederick, 2017) durchführt. Hierbei werden mögliche Defizite oder Überschüsse in bestimmten Frequenzbändern bestimmt. Darauf basierend kann man dann die Neurofeedback-Therapie definieren, um die Gehirnaktivität durch Training auszugleichen.

So unterstütze ich das Team

Hier kommt das Institut für EEG Neurofeedback (IFEN) ins Spiel, wo ich seit Juli 2021 als Dozentin und wissenschaftliche Beraterin tätig bin. Gemeinsam mit Direktor Thomas Feiner und dem ganzen Team des IFEN Neuroscience Labs arbeiten wir an der Erstellung von kognitiven und psychophysiologischen Tests mithilfe der institutseigenen Stimuli-Präsentation/Experiment-Control Software (CAPITO) und ERP-Analyzer Software und zielen dabei auf die Anwender von Neurofeedback. Hierbei unterstütze ich das IFEN Institut u.a. bei der Erstellung von standardisierten Paradigmen für die EKP-Messung (z. B., P300, N400, Flanker-task, MMN, DMS-Task usw.) in der Software, die primär von Therapeuten für die Diagnostik angesetzt wird. Das Ziel, das wir gemeinsam verfolgen, ist es, die Verwendung von EKPs als zusätzliches Assessment Tool in der Diagnostik voranzutreiben.

Coben, R., Linden, M., & Myers, T. E. (2010). Neurofeedback for autistic spectrum disorder: a review of the literature. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 35(1), 83–105.

Coben, R., & Padolsky, I. (2007). Assessment-guided neurofeedback for autistic spectrum disorder. Journal of Neurotherapy, 11(1), 5–23.

Collura, T. F., & Frederick, J. A. (2017). Handbook of clinical QEEG and neurotherapy. Routledge New York.

Enriquez-Geppert, S., Huster, R. J., & Herrmann, C. S. (2017). EEG-neurofeedback as a tool to modulate cognition and behavior: a review tutorial. Frontiers in Human Neuroscience, 11, 51.

Gruzelier, J. H. (2014). EEG-neurofeedback for optimising performance. I: A review of cognitive and affective outcome in healthy participants. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 44, 124–141.

Maffongelli, L., Antognini, K., & Daum, M. M. (2018). Syntactical regularities of action sequences in the infant brain: When structure matters. Developmental Science, (in press). https://doi.org/10.1111/desc.12682

Maffongelli, L., Bartoli, E., Sammler, D., Kölsch, S., Campus, C., Olivier, E., … D’Ausilio, A. (2015). Distinct brain signatures of content and structure violation during action observation. Neuropsychologia, 75. https://doi.org/10.1016/j.neuropsychologia.2015.05.020

Maffongelli, L., D’Ausilio, A., Fadiga, L., & Daum, M. . (2019). The Ontogenesis of Action Syntax. Collabra: Psychology, 5(1), 21. https://doi.org/10.1525/collabra.215

Nelson, K. (1973). Structure and strategy in learning to talk. Monographs of the Society for Research in Child Development, 1–135.

Nelson, K. (1981). Acquisition of words by first-language learners. Annals of the New York Academy of Sciences.