Hany Branga

Persönlicher Plausch mit Hany Branga über Neurofeedback

Das Gehirn ist ein komplexes Organ, das unser Leben mitbestimmt. Im dreier Verbund Gehirn-Körper-Interpersonelle Ebene, spielt dieses eine entscheidende Rolle. Die Arbeit mit dem Gehirn bringt dadurch eine herausfordernde Aufgabe mit sich. Ob auf der chemischen oder elektrischen Ebene, direkt oder indirekt, mithilfe von unterschiedlichen Medien, der Weg ist das Ziel. Die Entwicklung neuropsychologischer Voraussetzung für das Wohlbefinden beruht auf der Neuroplastizität.

Ich habe die Herausforderung aus der Neugierde und aus dem Bedürfnis heraus, mehr die Ursachen anzusehen und nicht nur die Symptome zu lindern, mehr die Selbstregulierung anzusprechen und nicht nur das Normale anzustreben, angenommen.

Über die Jahre in meiner Arbeit als Therapeutin hat mich eine kleine Geschichte begleitet.

„Ein furchtbarer Sturm kam auf. Der Orkan tobte. Das Meer wurde aufgewühlt und meterhohe Wellen brachen sich ohrenbetäubend laut am Strand.
N
achdem das Unwetter langsam nachgelassen hatte, klarte der Himmel wieder auf. Am Strand lagen aber unzählige Seesterne, die von der Strömung an den Strand geworfen waren.
Ein kleiner Junge lief am Strand entlang, nahm behutsam Seestern für Seestern in die Hand und warf sie zurück ins Meer. Da kam ein Mann vorbei. Er ging zu dem Jungen und sagte: “Du dummer Junge! Was du da machst, ist vollkommen sinnlos. Siehst du nicht, dass der ganze Strand voll von Seesternen ist? Die kannst du nie alle zurück ins Meer werfen! Was du da tust, ändert nicht das Geringste!”
Der Junge schaute den Mann einen Moment lang an. Dann ging er zu dem nächsten Seestern, hob ihn behutsam vom Boden auf und warf ihn ins Meer. Zu dem Mann sagte er: “Für ihn wird es etwas ändern!”

Nach der Erzählung “The Star Thrower” von Loren Eiseley (1969)

Jeder Patient, jede Situation ist jeden Tag und in jeder Einheit anders und fordert mich heraus. Es braucht viel Mut, auch mal neue Wege zu gehen, an sich zu glauben und jeden einzelnen Patienten, die realistische Zuversicht zu geben und die Eigenverantwortung zu wecken.

Meine ersten Gedanken über das Gehirn habe ich mir in den Anatomie-Stunden in der Schule gemacht. Schon damals schaute ich die Menschen in meiner Umgebung an und fand es faszinierend, wie die Physiologie sich im Verhalten niederschlägt.

Mit der Zeit hatte ich einen enormen Respekt gegenüber dem Gehirn entwickelt. Auch jetzt noch schaue ich meine Patienten an und bin unendlich dankbar, dass ich diese Ehre habe, mit dem Gehirn Kontakt aufnehmen zu dürfen. Ich schaue meinen Sohn bei seiner Entwicklung an und sehe mit den Augen der wissenschaftlichen Fantasie seine Synapsen an, wie diese feuern in Bereichen und Netzwerken, die er gerade aktiviert.

Das Psychologie-Studium hat mich durch die Neurowissenschafts-Vorlesungen an der medizinischen Hochschule in meiner Leidenschaft zum Gehirn weitergebracht. Ich stand immer staunend vor den Büchern alter Meister und vor den unglaublichen Darstellungen aus dem Internet. Die Spezialisierung als Neurofeedback-Therapeutin ermöglichte mir solche Bilder selber zu erzeugen und zu beobachten. Auch das Wissen aus den vielen Büchern konnte ich viel besser bei der Arbeit mit Neurofeedback verstehen. Öfter stand ich mal auch verzweifelt und überwältigt von der Masse an Informationen, die auf mich prasselten. Dabei begleitete mich wieder eine kleine Geschichte von Michael Ende:

„Der alte Straßenkehrer Beppo verrät seiner Freundin Momo sein Geheimnis. Das ist so: „Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein. Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.“

Michael Ende

Also, ich nahm die Themen, die mich unsicher stimmten, Schritt-für-Schritt durch. Die Bücher las ich Kapitel für Kapitel und machte mir Notizen, die mir sehr im Arbeitsalltag geholfen haben.

Ich biete Neurofeedback in Kombination mit ergotherapeutischen Ansätzen seit 10 Jahren. Aus meiner eigenen praktisch-klinischen Arbeit mit dieser Technik, aber auch aus der Tätigkeit als Dozentin für Neurofeedback, stelle ich immer wieder fest, wie gut das Neurofeedback sich mit anderen therapeutischen Konzepten kombinieren lässt.

Die Ergotherapie mit ihren therapeutischen Ansätzen ist an Patienten adressiert, die meistens ein zentrales Thema haben. Der Einsatz des Neurofeedbacks dahingehend ermöglicht dem Patienten, sein Gehirn kennenzulernen und mit ihm kommunizieren zu können.

Die Person, die sich entscheidet mit Neurofeedback ihr Gehirn zu trainieren, um ihr Verhalten oder Aktivierung zu verändern, sollte sich in professionelle Hände begehen. Diese Technik wird von Ärzten, Psychologen, Psychotherapeuten, Heilpraktikern und Heilmittelerbringern (Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten) nach einer ausführlichen Weiterbildung angeboten.

Für die trainierende Person ist es wichtig zu wissen, welche Neurofeedback-Arten der Therapeut anbietet und wie die Entscheidung der Verwendung getroffen wird. Eine ausführliche Aufklärung ist aus zwei Punkten wichtig: zum einen, die Person wird sich über die individuelle Behandlung bewusst, zum anderen ist das interdisziplinäre Team informiert, warum eine NFB-Art wirkt oder auch nicht, je nachdem, wofür man sich entscheidet.

Pauschal zu entscheiden, welche Methode angewandt werden soll, führt dazu, dass auch über den Erfolg des Trainings oder der Therapie pauschal entschieden wird – „Neurofeedback wirkt nicht“. In diesem Fall wird der Technik ein großes Unrecht getan und indirekt wird der Person verwehrt, seine Kondition zu ändern, eine gute Behandlung zu bekommen und für den Therapeuten, erfolgreich zu sein.

Das Neurofeedback wurde für mich über die Jahre seit 2011 eine Brücke zu vielen therapeutischen Fachrichtungen. Die Leidenschaft dafür hat mich beflügelt, in diesem Sinne viel Aufklärungsarbeit zu leisten und ständig an mir und an meinem therapeutischen Ansatz mit dieser wunderbaren EEG-basierte Methode zu arbeiten. Mittlerweile konnte ich viele Therapeuten damit „anstecken“.