ADHS – Lüge oder Wahrheit?

Was ist die ADHS-Lüge? Kann man ADHS mit Neurofeedback behandeln? Diagnosen sind in der Medizin wichtig, denn sie bieten Orientierung. Doch es gibt kaum eine Diagnose, die so umstritten ist wie ADS bzw. ADHS. Aber warum ist das so?

Diagnose und Beschreibung des Verhaltens – Keine Trennung von Verhaltensebene und Gehirnebene

Eines der größten Probleme ist, dass die Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätssyndrom) als Begriff die Aufmerksamkeit und die Hyperaktivität beinhaltet. Gestörte Aufmerksamkeit, mit oder ohne Hyperaktivität. Damit wird ein äußerst komplexes Geschehen, welches sowohl auf der Verhaltensebene, aber in erster Linie auf der Gehirnebene stattfindet, bezeichnet. Es ist der klägliche Versuch, eine Störung, die in erster Linie auf der Gehirnebene stattfindet, über Verhalten zu definieren. Das muss letztlich scheitern. Ja – es gibt Eltern, welche in der Erziehung grandios versagen, und ja, es gibt zu viel Medienkonsum und zu viel Ablenkung, und natürlich gibt es auch die „Reizüberflutung“. Und ja – es gibt auch falsche Ernährung. Aber deswegen darf man trotzdem nicht davon ausgehen, dass keine medizinisch relevante Störung existiert. Denn es gibt genug Kinder, die trotz alledem nicht auffällig werden.

Beschreibung des Verhaltens als Richtschnur für die Diagnose – eine Sackgasse

Die Psychiatrie hat Erstaunliches geleistet in den letzten 200 Jahren, nur leider scheint sie sich vehement gegen einen Paradigmenwechsel zu wehren.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt, weil Sie einen Schmerz in der linken Brust verspüren, der sich über den Linken Arm ausbreitet. Was würden Sie sagen, wenn der Arzt Ihnen die Diagnose gibt: Linksseitiges Brust-Arm-Schmerzsyndrom? Sie würden sich doch schnell einen anderen Arzt suchen, sofern Sie noch dazu in der Lage wären. Aber etwas Ähnliches passiert mit vielen psychiatrischen Diagnosestellungen. Beim Brust-Arm-Schmerz ist die Ursache entscheidend, und in der somatischen Medizin ist man sehr darum bemüht, den eigentlichen Grund der Symptomatik zu finden. Nun tut das auch die psychiatrische Medizin, nur leider oftmals nicht in genügendem Ausmaß. Die Psychiatrie hat Erstaunliches geleistet in den letzten 200 Jahren, wir haben ein anderes Verständnis über psychische Erkrankungen gewonnen, nur leider scheint sie sich vehement gegen einen Paradigmenwechsel zu wehren. Was kann man tun?

ADHS im Gehirn

In unserer Praxis im Institut für EEG-Neurofeedback behandeln und erforschen wir seit über 10 Jahren Kinder mit ADHS. Vor jeder Behandlung erfolgt eine eingehende Anamnese und neurokognitive Untersuchung. Kern unserer Befundung ist aber die Erstellung eines quantitativen EEGs, kurz QEEG genannt. Dabei geht es um die Ursache der Verhaltensproblematik, welche ja meist weit über eine Aufmerksamkeitsproblematik hinausgeht. Das EEG selbst bietet in der Regel wenig Anhaltspunkte. Neurologisch gesehen geht es hier in der Regel um den Ausschluss einer neurologischen Grunderkrankung, wie z.B.  einer Epilepsie. Das quantitative EEG hat ganz andere diagnostische Eigenschaften. Es ermöglicht den Vergleich mit einer Norm von EEG-Daten, basierend auf einer gesunden, dem jeweiligen Alter entsprechenden Vergleichspopulation. Die Darstellung erfolgt bildlich und wird auch Brainmapping genannt. Ähnlich wie z.B. dem Herz-Kreislaufsystem weiß man mittlerweile auch beim Gehirn, welche Werte eher einem störungsfreien System zuzuordnen sind und welche man als auffällig und störungsrelevant einordnen kann. So lassen sich nun die Symptome mit den Auffälligkeiten im Gehirnbild korrelieren und sogenannte Biomarker für die Störung klarer erkennen und unterscheiden.

Verschiedene Muster in den Gehirnwellen

Gehirne bestehen in erster Linie aus Nervenzellen, den Neuronen. Die elektrische Aktivität der Neuronen zeigt sich in Form von Wellenmustern, wie zum Beispiel der Alpha-, Theta-, oder Betawellen. Entscheidend ist nun, in welcher Stärke diese Wellen auftreten und welchen Beitrag sie deswegen zum Verhalten beisteuern.

Das quantitative EEG und Biomarker

Formen von Gehirnwellen im EEG

Unsere Messungen am EEG belegen, dass verschiedene sogenannte EEG-Subtypen mit Störungen in der Informationsverarbeitung im Gehirn korrelieren. Am Häufigsten dabei ist das sogenannte Theta-Überschuss-EEG, bei dem der Anteil der langsamen Thetawellen im EEG überwiegt. Thetawellen im Gehirn haben verschiedene Funktionen und treten besonders dann in Erscheinung, wenn wir kurz vor dem Einschlafen sind. Nun sind diese Hirnwellen an sich kein Problem – im Gegenteil, wir benötigen sie auch beim Lösen von Problemen und für die Gedächtniskonsolidierung. Aber wenn die Thetaaktivität generell auch im Wachzustand zu hoch ist, dann hat die betreffende Person oft große Schwierigkeiten, konzentriert bei der Sache zu bleiben. Sind die überschüssigen Wellen dann auch noch in Teilen des Frontallappens besonders aktiv, zeigen sich oftmals auch Probleme mit der Impulskontrolle und der Handlungsplanung. Die andere Gruppe zeigt hohe Amplituden im Bereich der schnellen Betawellen, welches auch umgangssprachlich als „Busy Brain“ bezeichnet wird. Hier hat die betreffende Person eine Überaktivierung und ermüdet schnell bei Aufgaben, die eine erhöhte Konzentration erfordern. Auf der Verhaltensebene zeigen sich auch Ängstlichkeit, geringe Frustrationstoleranz, bis hin zu erhöhter Aggression. Eine weitere Gruppe umfasst diejenigen, bei denen zum Beispiel eine zu hohe Alpha-Aktivität vorliegt, welche auch mit Störungen der Konzentration und des Verhaltens einhergeht.

Gibt es nun die ADHS-Lüge?

Wie immer man die Sache betrachtet, aus der Sicht der modernen Hirnforschung ist die Diagnose ADHS ein überholtes Konzept, da es sich auf die reine Verhaltensbeobachtung stützt und die Ursachen dabei außer Acht lässt, welche mit der modernen Biomarkertheorie durchaus besser zu erfassen wären. Um diesen Missstand etwas zu verdeutlichen hier ein Statement von Dr. Daniel Amen, einer der bekanntesten Psychiater in den USA, der die Situation einmal sehr treffend beschrieb: “Psychiatry is the only specialty that doesn’t actually look at the organ it treats.”

Text: Thomas Feiner, Redaktion: Benjamin Feiner